Seit dem letzten Bericht ist viel passiert. Inzwischen bin ich mit SeaBelow in London.
Von Cuxhaven sind Boris und ich bei zunächst prima Segelwind nach Helgoland gestartet, aber ca. 10 Meilen vor Helgoland schlief der Wind ein, so daß wir motorten.
Die Vorhersage versprach auch keine Besserung, so daß wir nach einem Hafentag mit vollen Tanks und Kanistern unter Motor Richtung Ameland gestartet sind. Es war durchwachsenes Wetter mit Regenschauern, manchmal diesiger Sicht, relativ kalt, aber kein Wind. Wir motorten die Nacht hindurch, am Morgen kam dann Wind und wir sind die letzten Meilen bis zum Seegatt zwischen Ameland und Terschelling gesegelt. In der Annäherung an Ameland war es nicht einfach, den richtigen Tonnenweg zu finden, weil die Seekarten sich nicht einig waren, wo die Tonnen nun sind. In der einen waren sie richtig eingezeichnet, in der anderen falsch, obwohl sie beide vom selben Datum waren. Aber das wichtigste Navigationsinstrument im Wattenmeer ist ja sowieso das Echolot und so haben wir immer die Fahrrinne gefunden. Total müde nach der durchwachten Nacht, aber bei bestem Wetter kamen wir auf Ameland in Nes an. Nach einem Gang durch die mit vielen Cafes belebten Ortschaft
haben wir nach einem nachmittäglichen Essen Abends das Hollandspiel geguckt. Zunächst war die Stimmung unter den mit orangenen T-Shirts, absurden Hüten, Schals und Fähnchen bekleideten Holländern gelangweilt bis niedergeschlagen, bis dann Holland ein Tor schoß und dann noch eins und am Schluß waren sie alle ganz aus dem Häuschen und tanzten auf den Tischen!
Am nächsten Tag sind wir nach Harlingen gestartet, nachdem wir uns unter Motor gegen den Wind durch das Wattfahrwasser und das Seegatt gekämpft hatten, segelten wir Terschelling entlang und in den Sonnenuntergang auf Harlingen zu. Dort lagen wir sehr idyllisch in einem historischen Hafenbecken neben einem Plattbodenschiff.
Danach ging es durch das Bontjes-Fahrwasser nach Kornwerderzand und nach der dortigen Schleuse ware wir auf dem Ijsselmeer. Mit idealem Rückenwind waren wir in null komma nix in Enkhuizen, einer für mich schönsten holländischen Städtchen am Ijsselmeer mit seinen idyllischen Grachten.
In Enkhuizen kam Leo an Bord und wir starteten nach Amsterdam. Leider war kaum Wind und da wir es bis Abends bis Amsterdam schaffen mußten, motorten wir mal wieder. In Amsterdam lagen wir ganz zentral und sehr ruhig im Sixhaven, direkt gegenüber des Hauptbahnhofs. Mit einer kostenlosen Fähre, die alle 5 Minuten fuhr kam man ganz easy rüber. Wir haben uns ins internationale Menschengewühl gestürzt und astiatisch gegessen.
Boris ging hier am nächsten Tag von Bord und Leo und ich machten uns auf den Weg nach England. In Ijmuiden kamen wir durch die Schleuse und als wir für die letzten Vorbereitungen noch einmal hinter der Schleuse anlegten, kam nach einer Stunde der niederländische Zoll an Bord um, wie sie sagten, eine Routinekontrolle zu machen. Also mußten wir unsere Ausweise und Schiffspapiere vorzeigen und noch ein paar Fragen nach dem Woher und Wohin beantworten.
Um 18 Uhr Abends stachen wir in die Nordsee. Ursprünglich dachten wir, der Wind käme genau aus der Richtung, in die wir wollten, aber er drehte sehr schnell immer weiter südlich, so daß wir bei angenehmen 3 bis 4 Bft. fast genau auf die Themsemündung zuhalten konnten. Die Überfahrt über die Nordsee ist hier ziemlich stressig, weil es andauernd Windparks, Ölbohrinseln und jede Menge Schiffe gibt. Der Schiffsverkehr ist zwar nicht ganz mit dem in der deutschen Bucht zu vergleichen, aber es gibt mehrere Verkehrstrennungsgebiete, so daß man nicht nur eine „Autobahn“ zu überqueren hat, sondern mehrere. Zum Glück war immer viel Abstand zwischen den Schiffen, aber sie nervten einfach, weil man sie erst lange kommen sieht, dann muß man ständig peilen, ob man auf Kollisionskurs ist und wenn dann das eine durch ist, sieht man am Horizont schon das nächste. Also nix mit Entspannung. Wir waren nie auf Kollisionskurs, weil die Schiffe den Passierabstand aber immer auf das Minimum begrenzen, kann man sich darüber erst ganz zum Schluß sicher sein. Leo hat seine Wache bestens gemeistert, nur bei einer Bohrinsel war im die Sache nicht ganz geheuer und hat mich geweckt, aber er hatte alles richtig gemacht und wir fuhren in ordentlichem Abstand daran vorbei. Die Windsteueranlage leistete beste Arbeit, ohne sie wäre das gar nicht möglich gewesen. Am nächsten Tag kamen wir in die Themsemündung. Leider zu Hochwasser, so daß wir die Strömung voll gegenan hatten. Da es noch 75 Seemeilen bis London waren und wir sie selbst bei optimalem Wind nur ganz knapp schaffen konnten, mußten wir die nächste Nacht hindurchmotoren, denn der Wind kam genau von vorne.
Auch hier hat Leo weider viel über die beleuchteten Tonnen gelernt. Zum Glück war fast kein Schiff unterwegs, die Gegend wirkte trotz des großen Hafens Londons wie ausgestorben. Im Morgengrauen kam uns ein großes Containerschiff der Hamburg-Süd-Reederei bei seinem Ablegemanöver in die Quere, so daß wir ausweichen mußten. Unter grauem Himmel und bei Nieselregen folgten wir den Mäandern der Themse
bis wir schließlich erst das Themsesperrwerk, dann den 0-Meridian überquerten, an der Sternwarte von Greenwich vorbei
und dann schon die Hochhäuser der Londoner Innenstadt sehen konnten. Eigentlich wollten wir ja ins St. Katherines Doch, aber da hätten wir noch 8 Stunden vor der Schlause warten müssen. Im Reeds Nautical Almanach stand zum Glück die Telephonnummer der Limehouse Marina, an der wir gerade vorbeikamen. Wir fragten, ob wir „jetzt“ durch die Schleuse könnten. Die nette Lady am Telefon hat kurz mit ihren Jungs gesprochen und dann gesagt, daß es ginge. Da ging auch schon die Drehbrücke auf und wir mußten uns beeilen, daß wir die Fender und Festmacher klar kriegten. Bei der Einfahrt in die Schleuse mußten wir durch eine unglaubliche Menge Müll fahren, der im Wasser schwamm. Normalerweise wird so etwas per UKW-Funk geklärt, aber auf dem Kanal 80, der hier dafür vorgesehen war, gab es ein derartiges Rauschen, daß man nichts verstehen konnte, weshalb wir telefoneirten.
Nach der Schleuse bekamen wir einen Liegeplatz zugeteilt und waren froh, uns nach zwei durchsegelten Nächten endlich richtig ausruhen zu können. Es ist eine sehr gut gelegene Marina mit quasi direktem Anschluß an den öffentlichen Nahverkehr an der Limehousestation. Abends sind wir dann in der Nähe der Tower Bridge
ein Bier trinken gegangen und danach haben wir wie die Steine bis zum nächsten Morgen geschlafen.